OEKO - Medienökonomie

Inhalte

  • Wandel und Entwicklung medialer Märkte
  • Einblick in die medienökonomische Forschung
  • Verortung der Medienökonomie
  • Marktformen
  • Eigenschaften von Gütern
  • Ökonomische Grundlagen des Mediensektors
  • Ökonomische Besonderheiten des Mediensektors
  • ökonomische Einflüsse auf die Entwicklung des Mediensektors
  • Medienkonzentration
  • Marktmächte
  • Medienökonomische Ansätze
  • Ökonomische Begründung für Regulierungen
  • Grundbegriffe der Liberalisierung, Globalisierung, Digitalisierung
  • Medienentwicklung medienökonomischer Tendenzen
  • Internetökonomie    

 

Über die VO: OEKO – Medienökonomie (Christian Steininger)  

Was ist Medienökonomik?  

Die Medienökonomik ist eine Teildisziplin der Publizistik- und Kommunikationswissen­schaft, die wirtschaftliche und publizistische Phänomene des Mediensystems unter Rückgriff auf ökonomische Theorien untersucht (vgl. Kiefer, 2005). Es lassen sich unterschiedliche Ansätze der Medienökonomik unterscheiden: hier sollen folgend Neoklassik und Institutionenökonomik vorgestellt werden. Die beiden Ansätze sind keine geschlossenen Schulen und deshalb auch nicht überschneidungsfrei. Die Institutionenökonomik ist keine Gegenposition zur Neoklassik, sondern eine Verallge­meinerung der neoklassischen Theorie. Beide Ansätze gehen davon aus, dass wirtschaftliche Ressourcen (Arbeit, Kapital, Boden, Natur) im Verhältnis zu den menschlichen Bedürfnissen knapp sind. Trotzdem lassen sich die beiden Ansätze unterscheiden: Die Institutionenökonomik berücksichtigt neben wirtschaftlichen Ressourcen auch Normen, Gesetze und andere Beschränkungen, die das Handeln der Menschen einengen und bestimmen. Der Objektbereich der Neoklassik lässt sich hingegen ohne Rückgriff auf außerökonomische Institutionen fassen. Die am Wiener Institut für Publizistik- und Kommunikationswissenschaft vertretene Medienökonomik befasst sich nicht nur mit ökonomischen Institutionen (Markt, Wettbewerb und Unternehmung) sondern untersucht dezidiert auch Regeln (deren Inhalt, Auswirkungen und Zustandekommen) und möchte Empfehlungen zur Gestaltung beider geben.  

Das Basiskonzept der Wirtschaftswissenschaft und damit auch der oben beschrie­benen Ansätze der Medienökonomik ist der methodologische Individualismus. D. h. soziale Sachverhalte werden durch Theorien über individuelles Verhalten geklärt. Es wird dabei nicht unterstellt, dass sich Kollektive wie Einzelpersonen verhalten, sondern man erklärt deren Verhalten aus den Handlungen und Präferenzen ihrer jeweiligen Mitglieder. Dabei wird davon ausgegangen, dass Menschen nicht zufällig, sondern in systematischer und damit vorhersagbarer Weise reagieren. Es gibt demnach Gesetz­mäßigkeiten in deren Handeln und Eigeninteresse ist die Triebkraft menschlichen Handelns. Die Ökonomik ist auf der Suche nach typischem Verhalten. Ein Beispiel: Steigt der Preis einer Zeitung im Vergleich zu ähnlichen Medien, so wird die Nachfrage nach dieser Zeitung sinken. Die Leser werden eventuell auf alternative Medien zurückgreifen. Die Ökonomik erklärt solch Verhalten mit dem Gesetz der Nachfrage. Dieses besagt aber nicht, dass jeder Leser so handelt, im Durchschnitt wird die Leserschaft jedoch so reagieren.  

Erstaunlich ist, dass die Teildisziplin Medienökonomik als eine junge Disziplin gilt, obgleich doch die Wurzeln der Publizistik- und Kommunikationswissenschaft in der deutschen Nationalökonomie, der Deutschen Historischen Schule liegen (vgl. Steininger 2007). Vertreter der jüngeren Historischen Schule sind Gustav von Schmoller und Werner Sombart. Albert E. Schäffle und Karl Bücher zählen zur älteren Historischen Schule. Vor allem Bücher ist aus kommunikationswissenschaftlicher Perspektive von Interesse, gilt er doch als Gründervater der Zeitungskunde. Schon zwischen 1884 und 1890 hielt er Vorlesungen zum Pressewesen in Basel. In seiner Entstehung der Volkswirtschaft befundet Bücher (1922), dass die Zeitung eine kapitalistische Unternehmung sei. Schäffle (1873) arbeitete ebenso zum Zeitungs­wesen. Sombart (2003) zeichnete sich durch wissenschaftstheoretische Systemati­sierungsversuche der Ökonomik aus, Schmoller (1900) forderte eine Verbindung von Institutionenlehre und -geschichte. Die Deutsche Historische Schule beeinflusste die heutige Institutionenökonomik, die für die Endogenisierung von Institutionen in die ökonomische Analyse eintritt. Im Rahmen dieser Endogenisierung bedarf es einer differenzierenden und typologisierenden Befassung mit Institutionen und Organi­sationen. Für eine  Medienökonomik, die sich mit Bedingungen, Risiken und Logiken der Medienproduktion sowie der -finanzierung auseinander setzt, ist dies eine unerlässliche Grundbedingung.    

Wozu Medienökonomik?  

Dass Medien als Objekte der ökonomischen Analyse taugen, liegt auf der Hand. Sie sind Wirtschaftsunternehmen, werden auf Märkten nach Wettbewerbsprinzipien bereitgestellt und sind in ein ökonomisches Beziehungssystem eingebettet (vgl. Kiefer 2005). Darüber hinaus sind für die Publizistik- und Kommunikationswissenschaft relevante Entwicklungen von wirtschaftlichen Kräften getrieben: etwa Deregulierung, Privatisierung, Kommerzialisierung sowie Globalisierung. Wer also wissen will, warum Medien so funktionieren, wie sie funktionieren und unter welchen Umständen dies auch anders sein könnte, muss sich mit (medien)ökonomischen Theorien auseinander­setzen. Kommunikationstheorie generell sollte eine normative Bewertung dieser Entwicklungen ermöglichen, Methoden und Modelle für deren Beschreibung bereit stellen und Wirkungszusammenhänge erklären und diesbezüglich auch Voraussagen ermöglichen. D. h. neben heuristischen Funktionen sind es auch prognostische Funktionen, die die Medienökonomik erfüllen sollte. Da Ökonomen ihre Theorie als Entscheidungstheorie mit Blick auf menschliche Kooperation verstehen, werden von ihnen drei Ebenen von Wahlhandlungen unterschieden: (1) Auf gesellschaftlicher Ebene müssen gesellschaftlich wünschenswerte Ziele identifiziert werden; (2) auf Ebene laufender individueller Wahlhandlungen muss das Entscheidungs- und Kooperationsverhalten der Individuen berücksichtigt werden; (3) auf institutioneller Ebene müssen sowohl der Rahmen, in dem Ziele verwirklicht werden, als auch Struktur und Prozess öffentlicher Intervention zur Zielerreichung analysiert werden (vgl. Kiefer 2005).  

Die Mehrstufigkeit der ökonomischen Analyse fehlt in kommunikationswissen­schaftlichen Theoriekonzeptionen weitestgehend. Auch fehlt letzteren eine theoretische Verknüpfung dieser Ebenen. Insbesondere auf den Ebenen (1) und (3), d. h. auf der Makro- und der Mesoebene, kann die Medienökonomik als sinnvolle Ergänzung der Publizistik- und Kommunikationswissenschaft begriffen werden. Etwa im Rahmen der Definition gesellschaftlich wünschenswerter Ziele, denn Konzepte wie Medienfreiheit, Vielfalt und Public Value sind bislang weitestgehend ungeklärt. Aber auch wenn es um die Frage geht, welche institutionellen Arrangements der drei um die Vorherrschaft kämpfenden Regime (juristisches, ökonomisches oder wissen­schaftliches) zur Zielerreichung taugen, kann die Medienökonomik hilfreich sein.  

Literatur  

Bücher, Karl, Die Entstehung der Volkswirtschaft – Vorträge und Aufsätze, Band 1, Tübingen 1922. Kiefer, Marie Luise, Medienökonomik. Einführung in eine ökonomische Theorie der Medien, 2. überarbeitete und ergänzte Aufl., München 2005.

Schäffle, Albert E., Über die volkswirtschaftliche Natur der Güter der Darstellung und der Mitheilung, in: Zeitschrift für die gesamte Staatswissenschaft, 29. Jg./1873.

Schmoller, Gustav von, Grundriss der Allgemeinen Volkswirtschaftslehre, München 1900.

Sombart, Werner, Die drei Nationalökonomien: Geschichte und System der Lehre von der Wirtschaft, Berlin 2003 (1930). Steininger, Christian: Markt und Öffentlichkeit. München 2007.  

 

 

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