KSOZ - Kommunikationssoziologie

Inhalte der Lehrveranstaltung Kommunikationssoziologie – KSOZ

  • Grundbegriffe der Kommunikationssoziologie
  • soziologische Vielschichtigkeit des Kommunikationsbegriffes
  • Refexion von Kommunikationssituationen
  • Hintergründe individueller und gesellschaftlicher Kommunikationsprozesse
  • Annäherung an die Prozesse der Massenkommunikation
  • Rollenkonzept in untrschiedlichen Theoriewinkeln
  • Rolle und Status
  • Gruppe
  • Kulturtheorien
  • Wertewandel
  • Zivilisationstheorie
  • Strukturalistischer Konstruktivismus
  • Kritische Theorie
  • Sozialisation
  • Grundlagen der Systemtheorie

Über die VO: KSOZ – Kommunikationssoziologie  (Jürgen Grimm)   

 Themen und Ziele der Vorlesung

Kommunikationssoziologie beschäftigt sich mit der gesellschaftlichen Einbettung und den gesellschaftlichen Folgen printbasierter, elektronischer oder computer­gestützter Medienkommunikationen. Die Postulate der gesellschaftlichen Bedingtheit einerseits und der Wirkungen in der Gesellschaft andererseits gelten für alle Kommuni­kationsgattungen: wie z. B. persuasive Formen der Kommunikation (Werbung, Public Relations und politische Propaganda), diskursanwaltliche Kommunikationen (Journalismus und Aufklärungskampagnen) sowie für offene Formen der Kommuni­kation (z. B. Fernsehunterhaltung und Dialogforen im Internet).

In manchen Fällen sind die gesellschaftlichen Aspekte von Medienkommunikation Bestandteil der Kommunikator-Absicht. Dies gilt z. B. dann, wenn eine ganz bestimmte Veränderung des gesellschaftlichen Verhaltens herbeiführt werden soll (durch eine Kampagne für die Anwendung von Sicherheitsheitsgurten bzw. zwecks Aufklärung über die Gefahren des Rauchens u. ä. m.); oder die kommunikationspolitische Initiative zielt direkt auf den Zusammenhalt in der Gesellschaft und die Aufrechterhaltung gesellschaftlicher Strukturen (indem etwa für Demokratie, Toleranz und Gewaltfreiheit geworben wird).

In anderen Fällen kommt die gesellschaftliche Dimension als verstärkender oder behindernder Faktor ins Spiel, ohne dass die Kommunikatoren selbst gesellschaftliche Verhältnisse beeinflussen wollen. Wenn z. B. ein Kinofilm, der auf Massenunter­haltung zielt, bestimmte Normen und Werte missachtet, gerät er in Konflikt mit Institutionen des Jugendschutzes. Wenn eine Öl-Firma, die zuallererst am Kerngeschäft interessiert ist, massiv Sicherheitsstandards verletzt (siehe z. B. das Versagen von BP beim Bohrloch-Unfall vor der Küste Floridas im April 2010), erzeugt dies eine Krise der Unterneh­menskommunikation, die bis zum Ruin des Unternehmens führen kann. Werbung, die nicht in notwendigem Maße auf Trends der gesellschaft­lichen Entwicklung Rücksicht nimmt (z. B. im Bereich sich verändernder Geschlechts­rollen), bleibt mit ihren kommunikationspolitischen Maßnahmen zumindest im sub­optimalen Bereich. Andererseits kann die Effektivität der Werbung durch glaubwürdige Rekursionen auf gesellschaftlich relevante Themen wesentlich gesteigert werden. Die Beachtung der gesellschaftlichen Dimension der Medienkommunikation ist daher eine Schlüsselfrage erfolgreichen Kommunizierens überhaupt.

Ziel der Vorlesung ist es, in grundlegende theoretische Konzepte von Gesellschaft einzuführen und ihre kommunikationswissenschaftliche Relevanz in diversen Anwen­dungsfeldern persuasiver, diskursanwaltlicher und unterhaltender Kommunikationen zu verdeutlichen.

Behandelt werden u. a.

·       Modelle der Massenkommunikation in soziologischer Perspektive,

·       Grundbegriffe der Kommunikationssoziologie wie Gesellschaft, System, Struktur, Funktion, Gruppe und Rolle,

·       Sozialer Kontext von Kommunikation

·       Abgrenzung von anderen Perspektiven in der Kommunikationswissenschaft

 

Die Vorlesung gliedert sich in einen makrosoziologischen Teil (Systemtheorie, Kritische Theorie) und in einen mikrosoziologischen Teil (Interaktionssoziologie, Lebenswelt­theorie), die als komplementäre Ansätze betrachtet und in enger Verzahnung mit Fragen der Kommunikationspraxis behandelt werden. Für erfolgreiches kommuni­katives Handeln sind Kenntnisse über Prozesse in Kleingruppen ebenso bedeutsam wie das Wissen über gesamtgesellschaftliche Entwicklungen und Grundwerte. Der Schwerpunkt der Ausführungen liegt auf den "Klassikern" der Soziologie, sofern sie für kommunikationswissenschaftliche Problemsstellungen anschlussfähig sind und für die Kommunikationswissenschaft einen essenziellen Beitrag zu leisten vermögen. Dies wird an Beispielen aus der Kommunikationsforschung unter Bezugnahme auf Probleme der Kommunikationspraxis exemplifiziert.

In allen Teilen der Vorlesung steht die Frage nach der integrativen Funktion der Medien für die Gesellschaft im Mittelpunkt. Dies bedeutet zunächst, auf Prozesse der Bildung und Veränderung von Moral einzugehen, an denen sich professionelle Kommunikatoren (Journalisten, PR-Fachleute) beteiligen und von denen der Zusam­menhalt in der Gesellschaft wesentlich mitbestimmt wird. Zugleich müssen die Kommunikatoren bei der Verfolgung ihrer „vormoralischen“ Ziele (Ökonomie, Politik) Moral als gesellschaftliche Machtressource in gewissem Maße berücksichtigen, um die Chancen auf strategische Zielerreichung zu wahren. Erörtert wird u. a. die Frage, mit welchen kommunikativen Mitteln Moralbildung gesteuert werden kann und welche Komplikationen auftreten, wenn im Rahmen persuasiver Strategien Moralprozesse nicht hinreichend beachtet werden. 

Die integrative Funktion lässt sich freilich nicht auf Moral und auch nicht auf Konsens und Kompromiss reduzieren. Sie schließt vielmehr in komplexen modernen Gesell­schaften notwendig Konfliktkommunikationen ein. Ein wesentlicher Teil der Integra­tionsleistung von Medien besteht darin, vorhandene gesellschaftliche Konflikte zu thematisieren und damit einer weiteren Bearbeitung zugänglich zu machen. Allerdings müssen Konflikte zur Wahrung ihrer sozialen Funktion zumindest insoweit eingeengt werden, dass sie keine gewaltsamen Austragungsformen provozieren oder andere für den gesellschaftlichen Zusammenhalt zerstörerischen Entwicklungen in Gang setzen. Für die Demokratie ist von ausschlaggebender Bedeutung, dass Medien neben der Konflikt-Thematisierung zur gewaltfreien Kanalisierung von Konflikten und deliberativen Problembewältigung beitragen.

 

Diese Überlegungen und Zusammenhänge spiegeln sich auch in der Gliederung der Vorlesung KSOZ „Kommunikation und Gesellschaft – Einführung / Modelle der Massenkommunikation“ wider:

Teil 1: Integration der Gesellschaft

·       Was die Gesellschaft zusammenhält 1: Pioniere der soziologischen Forschung und Theorienbildung (Durkheim, Tönnies, Geiger, Weber)

·       Was die Gesellschaft zusammenhält 2: Integration durch Konflikt (Simmel, Coser, Dahrendorf, Giesen, Dubiel)

·       Medien und Integration: Grundlegende Modelle / Berichterstattung über Ausländer / Integration und Unterhaltung (Jäckel, Weßler, Delgado, Ruhrmann, Dörner)

·       (Des-)Integration durch Mediengewalt (Brosius & Esser, Kunczik & Zipfel, Grimm)

Teil 2: Makrosoziologische Perspektive

·       Systemtheoretische Konzepte: Gesellschaftssystem und die „Realität“ der Massenmedien (Parsons, Luhmann)

·       Kritische Theorie 1: Kommunikationen zwischen Systemstabilisierung und Opposition (Frankfurter Schule, Cultural Studies)

·       Kritische Theorie 2: Struktur der Öffentlichkeit und Theorie des kommunikativen Handelns (Habermas)

Teil 3: Mikrosoziologische Perspektive

·       Lebensweltperspektive 1: Strukturen der Lebenswelt und Motivation (Schütz)

·       Lebensweltperspektive 2: Interaktion – Identität – Moral (Mead, Goffman, Bermann & Luckman)

Teil 4: Mikro-Makro-Analysen gesellschaftlicher Kommunikation

·       Mikro- und Makroebene sozialwissenschaftlicher Erklärung (Coleman)

·       Medienwirkungen in der Gesellschaft: Mikro- und Makroeffekte des Agenda Setting / Journalismus in der Demokratie / Kultivierung durch Medien / Geschichts­vermittlung durch Medien

 

Grundlagenliteratur

Goffman, Erving (2002): Wir alle spielen Theater. Die Selbstdarstellung im Alltag, 10. Aufl. (1. Aufl. 1983). – Zürich: PiperGrimm, Jürgen (2008): Medienwirkungsforschung. In: Uwe Sander, Kai-Uwe Hugger, Friederike Gross (Hg.), Handbuch Medienpädagogik. – Wiesbaden: VS Verlag, S.314-327.Habermas, Jürgen (1985): Theorie des kommunikativen Handelns, Bd. 1: Handlungsrationalität und gesellschaftliche Rationalisierung; Bd. 2: Zur Kritik der funktionalistischen Vernunft, 3. Aufl. (zuerst 1981). – Frankfurt a.M.: Suhrkamp.Jäckel, Michael (2005) (Hg.): Mediensoziologie. Grundfragen  und Forschungsfelder. - Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften.Mead, George Herbert (1973): Geist, Identität und Gesellschaft aus der Sicht des Sozialbehaviorismus. Eingeleitet und hg. von Charles W. Morris. Frankfurt a.M.: Suhrkamp.Parsons, Talcott. (1975): Gesellschaften. – Frankfurt a.M.: Suhrkamp.Schütz, Alfred, Thomas Luckmann (1979, 1984): Strukturen der Lebenswelt Band 1.- Frankfurt a.M.: Suhrkamp 1979; Band 2.- Frankfurt a.M.: Suhrkamp 1984Simmel, Georg (1999): Soziologie. Untersuchungen über die Formen der Vergesellschaftung, hg. von Otthein Rammstedt (Gesamtausgabe Bd.11, 3. Aufl. (zuerst 1908). – Berlin: Duncker und Humblot. Willke, Helmut (2000): Systemtheorie I: Grundlagen, 6., überarbeitete Aufl. – Stuttgart: Lucius&Lucius. Reihe UTB 1161.

DOWNLOAD

 102 kB